CD Rezension von Stefan Fritzen veröffentlicht im Fachmagazin für Blasmusik "Clarino", Ausgabe Dezember 2018:
Auf der Suche nach dem Klang des Friedens
»Alle Jahre wieder« schwappt über die christliche Welt der glitzernde Weihnachtskitsch und die Jingle-Bell-Romantik. Beat-unterlegte Weihnachtslieder tönen aus jedem Lautsprecher, und Glühwein mit Bratwurst sind Synonyme für weihnachtliche Stimmung geworden. Wer dabei noch nicht zum Weihnachtsmuffel mutiert ist, freut sich auf das Krippenspiel, das Weihnachtsoratorium und die Weihnachtsgeschichte. Oder auf die CD mit Weihnachtsmusik der Bürgerkorpskapelle Hallein. Hallein kann als die Hauptstadt der Weihnachtslieder bezeichnet werden. Hier hat der Kantor und Lehrer Franz Xaver Gruber sein Lied »Stille Nacht, heilige Nacht« in nur wenigen Minuten komponiert, nicht ahnend, dass er damit eines der berühmtesten Lieder der gesamten Musikgeschichte schaffen würde. Und hier vergibt die Kapelle der Stadt unter der Leitung ihres Dirigenten Hermann Seiwald in regelmäßigen Abständen einen Kompositionsauftrag, in dem dieses Lied in neuen Sichtweisen adaptiert wird. Auf der Aufnahme wird »Stille Nacht, heilige Nacht« in verschiedenen, sehr schönen Sichtweisen dargeboten. Alle Adaptationen zeigen die Kraft der Melodie, aber auch die Vielseitigkeit der Bearbeiter.
Es steht mit der Bürgerkorpskapelle Hallein jedoch auch ein Orchester zur Verfügung, das beeindruckend flexibel zu musizieren in der Lage ist. Auf der Aufnahme erklingen bekannte Weihnachtsmusiken, aber auch solche von anonymen Meistern. Die gesamte CD ist wie eine Christvesper aufgebaut, mit Lesungen und verschiedensten musikalischen Beiträgen. Es musizieren neben dem Orchester auch Holzbläserensembles, Blechbläser, Klarinettenensembles und Kammermusikgruppen. Gesangssolisten, Sprecher, Chöre und Gitarre sowie andere Volksinstrumente runden das Programm ab und ermöglichen eine überzeugende Dramaturgie für die gesamte Aufnahme. Dirigent Hermann Seiwald führt sein Orchester auf ein hohes, nahezu professionelles Niveau. Sämtliche Register zeichnen sich durch ein hohes Maß an Homogenität aus. Dynamische Abstufungen sind überzeugend und artikulatorische Vielfalt und Genauigkeit ist für Amateure ungewöhnlich. Vor allem das tragende, weitschwingende Legato ist bestechend. Intonatorische Unregelmäßigkeiten gibt es fast keine; die Musiker beweisen mit ihrem Spiel eine sehr gute Hörschulung in der Probenarbeit. Der Gesamtklang des Orchesters ist weich-dunkel. Er strahlt eine ästhetische Wärme aus, die den Hörer sofort in ihren Bann zieht!
Stefan Fritzen
Stefan Fritzen
Stefan Fritzen zählt zu Deutschlands bedeutendsten Orchesterleitern für sinfonische Bläsermusik. Fritzen war Soloposaunist im Berliner Sinfonieorchester und bei der Staatskapelle Dresden. 1986 begann er seine Arbeit als Sachgebietsleiter an der Musikschule Mannheim. Dort gründete er die heutige Mannheimer Bläserphilharmonie e.V. und machte sie über Deutschland und Europa hinaus bekannt und erfolgreich. Außerdem war er als Dozent für Dirigenten und als Spezialist für heilpädagogische Behandlung von spielerkrankten Blechbläsern tätig. Seit den 1980er Jahren ist er sehr erfolgreich als Dirigent unterwegs, seit dem Jahr 2008 leitet er die Dresdner Bläserphilharmonie.